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11.12.18
„Intelligent sein ist nicht genug, man muss auch fühlen können.“

Eine Überlebende des Holocaust, Henriette Kretz, erzählt aus ihrem Leben.

Im Oktober 1934 wird die junge Henriette in eine jüdische Familie geboren, die Mutter ist Rechtsanwältin, der Vater Arzt. Anfang des zweiten Weltkriegs kümmert sich dieser um viele polnische Verwundete und Kranke. In Lemberg erlebt die gerade einmal siebenjährige den Einmarsch der Deutschen 1941, kurz darauf zieht sie mit ihrer Familie in ein jüdisches Ghetto. Dort erlebt sie, wie die Bewohner ihres Blocks abgeholt und zu einem Platz gedrängt werden. Knapp schaffen Henriette und ihre Eltern es, durch die Hilfe eines Bekannten ihres Vaters, zu entkommen und die Massenerschießung von 6000 Juden an diesem Tag zu überleben. Aus Angst verstecken die Eltern ihr Kind bei einer polnischen Frau und ihrem Sohn: sie, Henriette, ganz allein; die Eltern kehren ins Ghetto zurück. Bei der Familie ist Henriette erst einmal sicher, wird schließlich aber doch verraten und in ein Gefängnis gebracht.

Die unglaubliche Angst des achtjährigen Mädchens drückt sie heute aus, indem sie berichtet, dass sie lieber verhungern wollte, als erschossen zu werden. Trotzdem wird sie bald wieder zurück zu ihren Eltern in das Ghetto gebracht. Wieder gelingt der Familie durch Freunde des Vaters die Flucht, ungefähr ein Jahr leben sie in einem Kohlenkeller und später auf einem Dachboden. Als ihr Versteck erneut verraten wird, weigert sich der Vater weiterzugehen. Aus purem Instinkt rennt Henriette weg und schafft es, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Hinter sich hört sie nur Schüsse; sie weiß, wem sie gelten; sie weiß, dass ihre Eltern nicht mehr leben. Mit Glück schafft sie es in ein Waisenhaus zu gelangen, in welchem eine Nonne jüdische Waisen aufnimmt und beschützt. So gelingt es ihr, die deutsche Besatzung zu überstehen. Sie kann nun wieder ihren eigenen Namen tragen, zur Schule gehen und weiter in dem Waisenhaus leben. Der Zufall will es, dass sie zu ihrem Onkel zurückziehen kann, der in Krakau lebte und nun mit seiner Nichte Europa verlassen und sich über Antwerpen Richtung Kuba aufmachen will. Während ihres Aufenthalts in Antwerpen werden sie von einer jüdischen Gemeinde überzeugt, dort zu verbleiben. Henriette Kretz lebt noch heute in Antwerpen. 

Henriette Kretz’ Geschichte hat uns tief aufgewühlt. An einem Abend im Oktober haben wir erfahren, wie die heute 84-jährige die Zeit der deutschen Besatzung überlebt hat. Begleitet wurde die Zeitzeugin von zwei Mitarbeiterinnen des Maximilian-Kolbe-Werks, welches seit einigen Jahren zusammen mit Überlebenden des Holocaust sächsische Schulen besucht und die damaligen Grausamkeiten erneut ins Bewusstsein rückt. So fällt auch das Schlusswort der Referentin aus, in welchem sie auf die gefährlichen Auswirkungen von Ausgrenzung sowohl im Großen als auch im Kleinen eindrücklich aufmerksam macht. Sie wendet sich gegen Diktaturen und appelliert an uns, Demokratie zu schützen, für sie einzutreten und bei Wahlen darüber nachzudenken, wem wir unser Kreuz geben, denn „intelligent sein ist nicht genug, man muss auch fühlen können.”

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