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19.02.15
Warum archaische Figuren lächeln

Hautnah auf den Spuren der Antike - eine sehr afranische Reportage


„Und, habt ihr euch schonmal gefragt, warum die archaischen Figuren immer lächeln?“, schließt Herr Glock seinen Monolog und sieht uns abwartend an. Eine Weile herrscht Stille, alle müssen erst einmal verarbeiten, was er da gerade so erzählt hat.
 Aha, die archaischen Figuren lächeln also immer? Ist mir noch gar nicht aufgefallen. Aber wenn ich mich jetzt im Raum des Museums umsehe, stelle ich fest, dass er Recht hat. 
„Vielleicht...wollten die Leute einfach kein Leiden darstellen? Können doch alles Optimisten gewesen sein.“ Zugegeben, eine sehr lahme Erklärung. Das sehen die anderen offenbar auch so. Sofort entsteht eine Diskussion, während wir weiter durch das Gebäude gehen und und die Exponate anschauen. Schließlich stellt Herr Glock eine Vermutung auf, die mir bis zuletzt am logischsten erscheint: „Es könnte doch sein, dass das Lächeln für Menschlichkeit steht.“

Uns bleibt leider vorerst keine Zeit, diese These zu diskutieren, weil Herr Freydank vor der versammelten Mannschaft über den Fries des Parthenon referiert. Er erzählt eine Menge – mir fallen tausend Fragen ein, die ich klären möchte, aber ich kann sie mir nicht alle merken. Woher weiß man denn zum Beispiel, wie die fehlenden Stücke aussehen? Und wie lange dauert es, so ein Fries zusammenzusetzen und zu rekonstruieren?
 Aber weil es immer wieder neue Sachen zu entdecken gibt, habe ich am Abend unzählige offene Fragen in meinem Kopf. Und das ist erst der erste Tag gewesen!

Uns überrascht, wie dicht neue und alte Stadt in Athen beieinanderstehen. Man läuft eine große, laute Straße entlang, an deren Seite sich neue Hotels, Läden und verfallene Häuser des vorigen Jahrhunderts befinden...und plötzlich steht man vor der Unibibliothek in Form eines antiken Gebäudes, auf dem die Musen und Künste zu sehen sind. Wir versuchen, deren Namen zu entziffern, aber ehe wir fertig sind, geht es schon weiter.
Allein in Athen erleben wir so viel, dass man einen Roman darüber schreiben könnte. Aber die Reise geht noch weiter. Nach Navpaktos, Delphi, Olympia und Navplio.
 Wir rennen im Olympischen Stadion und lernen, dass die antiken Griechen am liebsten an der größten Straße begraben wurden, damit die Vorbeiziehenden die prunkvollen Gräber bewunderten. Wir führen auch eine Diskussion über Moral in der Antike, und ob nackte Frauen auf Grabkästen vertretbar wären (auch wenn wir uns nicht ganz einig sind, ob es sich um Frauen oder Kinder handelt, denn sie haben zwar Babyspeck, posieren aber auf höchst weibliche Art und Weise). Schließlich machen wir die Entdeckung: einen Löwen, der lacht. 
„Wenn ein Löwe lacht“, stellt Herr Glock enttäuscht fest, „dann kann Lachen ja nicht mehr menschlich sein. Es sei denn, der Löwe ist menschlich. Ihr seht schon, hier versteckt sich eine BeLL.“

In Griechenland verstecken sich so einige BeLL-Themen. Da stellt sich zu Beispiel die Frage, wie die Mykener ihre großen Zyklopenmauern gebaut haben. Sie sind so dick und fest, dass sie, auch wenn sie älter als die antiken Tempel sind, im Gegensatz zu diesen heute noch stehen. Hatten die etwa Kräne? Wie funktionierte das Orakel von Delphi wirklich? War der Verstand der Priesterin tatsächlich von den Gasen des Berges vernebelt, oder stellte man diese künstlich in einer Kammer unter dem Tempel her? Vielleicht war sie ja auch ganz bei Verstand und machte absichtlich vage und verschlüsselte Aussagen. Oder es war nur eine riesengroße Täuschung, und die Priester erfanden alles nur und es gab gar keine geheimnisvolle Pythia. Die antiken Priester waren anscheinend eh ein bisschen zwielichtig. Einige Tage vorher hatte uns Herr Glock von einer Gerätschaft erzählt, die zum Geldopfer für Aphrodite gedacht war. Sie hatte eine eingebaute Mechanik, damit die Priester später das Geld für sich kassieren konnten.


„Was hat euch am besten gefallen? Jeder eine Sache“, sagt Frau Degkwitz am letzten Abend. Wir sitzen am Meer unter dem Sternenhimmel.
 „Athen, am ersten Abend, weil ich da einfach überwältigt war.“
 „Das Baden in Kap Sounion, das Meer war so schön.“ 
„Die Athener Agora (Marktplatz), weil die meisten Tempel wieder aufgebaut waren und man das optisch gut nachvollziehen konnte.“ 
„Das Nebeneinanderexistieren von Antike und Moderne.“
„Und was habt ihr nicht verstanden?“
 „Ich verstehe nicht, wieso die heutigen Griechen so unwissend über die Kultur sind, die hier mal existiert hat.“ 
„Ich verstehe nicht, wieso die Griechen nicht einfach mal aufforsten. In der Antike war hier alles voller Wald, und davon ist jetzt nichts mehr übrig. Es gibt so viel ungenutzte Fläche.“ 
„Ich verstehe kein Griechisch. Leider.“

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